Vom "Reissbrett" auf die Baustelle

Alexander Biedermann tauschte die Seiten – von der Konstruktion auf die Baustelle Staatsoper Unter den Linden in Berlin

Lesezeit: 7 min 15 sec

Eines der größte Projekte in der Unternehmensgeschichte

Die Staatsoper Unter den Linden ist ein Baudenkmal am Boulevard Unter den Linden in Berlin Mitte. Sie ist das „erste bedeutende Theater überhaupt, das als monumentales, freistehendes Bauwerk in einer Stadt errichtet wurde.

Das traditionsreiche Opernhaus, das ursprünglich 1742 eröffnete, wurde in seiner über 250-jährigen Geschichte – bedingt durch Brände und Kriegsschäden, – mehrfach grundlegend umgebaut. Zuletzt geschah dies in den 1950er Jahren nach Plänen des Architekten Richard Paulick (1903 – 1979). Seit 1979 steht die Staatsoper unter Denkmalschutz.

Nach über 50 Jahren Spielbetrieb bestand grundlegender Sanierungsbedarf für den bestehenden Gebäudekomplex (Zuschauerraum, Bühnenraum, unterirdisches Bauwerk, Probenzentrum, Intendanz). Ziel war es, das Gebäude behutsam zu sanieren bei gleichzeitiger technischer Anpassung an einen zeitgemäßen Spielbetrieb. Zum Beispiel wurde das Volumen des Zuschauerraums durch Anheben der denkmalgeschützten Decke vergrößert.

Für Waagner-Biro Stage Systems ist dieses Projekt eines der größten in der Unternehmensgeschichte. Nicht nur die komplexe Technik, sondern auch die baulichen Gegebenheiten waren eine große Herausforderung, die erfolgreich gemeistert werden konnten.

Am 3. Oktober 2017 wurde die Staatsoper nach Jahren der Renovierung wiedereröffnet. Ursprünglich schon für 2015 geplant, haben überraschende Funde aus dem Mittelalter sowie der hohe Grundwasserpegel den ehrgeizigen Sanierungsplan jedoch um viele Monate verzögert.

Wie es ist, die Seiten zu wechseln

Alexander Biedermann war unser stellvertretender Bauleiter in Berlin und hat die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden intensiv miterlebt. Seit Jänner 2012 hat er zuerst als Konstrukteur an der Untermaschinerie gearbeitet. Dann verspürte er den Wunsch, die Montage und Inbetriebnahme vor Ort mit zu erleben. Und so war er seit Juli 2015 auf der Baustelle der Staatsoper tätig und unterstützte dort unseren Baustellenleiter Henrik Abromeit. Seine größte Herausforderung bildete, abgesehen von dem stressigen Alltag, die Komplexität der Bühnenmaschinerie und deren Montage. Diese Aufopferung wurde aber mehr als entschädigt, als er miterleben konnte, wie das Podium, das er selbst konstruiert hatte, zum Leben erweckt wurde. Sicherlich bleibt nicht nur diese eine Inbetriebnahme in bester Erinnerung, sondern auch die einmalige Erfahrung, wie Waagner-Biro Stage Systems gemeinsam mit Bauherren, Planern und Betreibern die neue Bühnentechnik der Staatsoper Unter den Linden realisiert hat.

Interview mit Alexander Biedermann

WB Stage: Die Baustelle der Staatsoper Unter den Linden in Berlin ist abgeschlossen. Wie ist es nach zweieinhalb Jahren wieder zurück in Wien zu sein?

A. Biedermann: Ich habe auf jeden Fall wieder mehr Zeit für private Dinge, der Büro-Alltag ist natürlich anders als der Baustellenalltag, aber manchmal „vermisse“ ich es vor Ort zu sein. Die Nähe zur Bühnentechnik ist auf der Baustelle in jedem Fall mehr gegeben als im Büro.

WB Stage: Nach deiner Rückkehr hast du eine neue Position innerhalb von Waagner-Biro Stage Systems angetreten. Kannst du uns hier einen kurzen Einblick geben?

A. Biedermann: Meine jetzige Position umfasst die Planung und Vorbereitung der Montagen, sowie die Mitarbeit bei Angeboten, um schon da die vorläufige Montageplanung zu verbessern und mein Know-How aus dem Baustellenalltag einzubringen. Abwechslungsreich ist meine Arbeit in jedem Fall. Ich betreue viele unterschiedlichste laufende Projekte und reise viel.

Dazu kommen die Mitarbeiterführung und die Budgetverantwortung. Beides Aufgaben, die für mich neue Herausforderungen darstellen. Dadurch, dass ich ein breitgefächertes Aufgabengebiet habe, kann es natürlich auch in meiner aktuellen Position sehr turbulent werden.

WB Stage: Welchen Einfluss hat deine Berlin-Erfahrung auf deine neuen Aufgaben bzw. auf zukünftige Baustellen von Waagner-Biro Stage Systems?

A. Biedermann: Ich habe mein Montage-Know-How sowohl mechanisch als auch elektrisch sehr erweitert. Vor allem die Erfahrung mit antriebstechnischer Inbetriebnahme und Steuerung ist für mich extrem wertvoll.

In Berlin habe ich bereits eine große Anzahl meiner jetzigen Mitarbeiter kennengelernt. Dadurch war der Einstieg etwas einfacher und die persönliche Ebene war auch schon gegeben. Die Erfahrung einer Führungsposition auf der Baustelle war eine gute Basis für meine aktuelle Position bei Waagner-Biro Stage Systems

WB Stage: Würdest du wieder auf eine Baustelle gehen?

A. Biedermann: Ja, definitiv. Es war eine sehr anstrengende, aber extrem lehr- und ereignisreiche Zeit. Wenn man die Chance hat vor Ort auf internationalen Baustellen mitzuarbeiten, sollte man diese auf jeden Fall nutzen.

WB Stage: Was sind die Herausforderungen einer gut funktionierenden Baustelle?

A. Biedermann: Zu den Herausforderungen gehören für mich die Führung der eigenen Mannschaft, die Planung, Logistik, Koordination der eigenen Gewerke als auch mit Fremd-Gewerken (Bau, Haustechnik, Restaurateuren,… ), die Abstimmung mit Kunden und Planern, sowie das eigene Zeitmanagement.

Vor allem bei technischen Problemen und bei Entscheidungen ist eine schnelle Lösung erforderlich, um keine Stehzeit zu verursachen.

WB Stage: Welche persönlichen Erfahrungen hast du erlebt und wie beeinflussen diese deine neue Position?

A. Biedermann: Während meiner Zeit in Berlin habe ich sehr viel von den Kollegen der Montage und Inbetriebnahme und Steuerung gelernt. In diesem Jahr habe ich viele neue Kontakte geknüpft und internationale Freundschaften geschlossen. Die Sprachkenntnisse haben sich dadurch natürlich auch erweitert.

Neu war auch der enge Kontakt zu den Kunden, Planern, Bauleitern vor Ort. Ich hatte die Chance die technischen als auch künstlerischen Abläufe auf der Bühne eines international renommierten Opernhauses kennenzulernen.

WB Stage: Wie profitieren deine Kollegen von deiner Baustellenerfahrung?

A. Biedermann: Ich habe gelernt, wer welche Fähigkeiten hat und für welche Arbeiten welche Kenntnisse benötigt werden und kann dadurch nun meine Mitarbeiter entsprechend einsetzen.

Die Einbringung des Montage-Know-Hows ist auch für die Kollegen in der Abteilung Konstruktion eine gute Hilfestellung.

Um Montagezeiten so kurz wie möglich zu halten, ist es enorm wichtig den Bauablauf auch mit dem Kunden und anderen Gewerken vor Ort abzustimmen und entsprechend anzupassen – auch hier konnte ich Erfahrung sammeln.

Das Haus im Detail

Im Bühnenhaus wurde zuerst die Bühnentechnik ausgebaut und das Gebäude mit Ankern gegen ein Aufschwimmen gesichert. Dann wurde eine bis zu 3,2 cm dicke Stahlblechabdichtung eingebracht. Dieses Prinzip der Abdichtung kommt aus dem Schiffsbau. Ein Gutachter überprüfte jeden Zentimeter der insgesamt 7 km langen Schweißnaht, um eine Dichtigkeit sicherzustellen.

Im Bühnenturm wurde parallel zu den Außenwänden ein Stahltragwerk eingezogen, das die Lasten der Obermaschinerie als auch des Dachs selbst in die Pfeiler des Bestandsfundaments überträgt.

Nach dem erfolgreichen Einbau des Schnürbodens sowie der Rollenbänke inkl. Rollenböcke, wurden die Arbeiten im April 2015 mit der Montage von 5 Galerieebenen auf der linken und rechten Seite des Bühnenturms fortgesetzt. Aufgrund der baulichen Verhältnisse mussten diese Arbeiten nicht nur in schwindelerregender Höhe, sondern auch auf engstem Raum durchgeführt werden.

Hinter den Galerien wurden abgehängte, schallisolierte Maschinenräume geschaffen. Darin wurden beidseitig auf zwei Ebenen 107 Winden montiert. Diese mussten zuerst einmal 10 Meter in die Höhe gezogen werden. Der Einbau konnte innerhalb von zwei Wochen abgeschlossen werden. Um die gesamte Anlage akustisch zu optimieren, wurden alle Winden auf elastischen Lagerungen platziert.

Im Sommer 2015 begann die Installation der Untermaschinerie, die Größe der Baugrube betrug 7.000 m³ (21 x 29 x 11,5m). Um den ursprünglich geplanten, engen Terminplan einhalten zu können, wurde in der Designphase entschieden, so viele Teile wie möglich bereits außerhalb der Staatsoper zusammenzubauen. Das schwerste eingebrachte Teilstück wog 8,8 Tonnen. Für die Einbringung dieser Teile wurden von Waagner-Biro Stage Systems eigens 2 Kräne konstruiert und eingebaut.

Die Hauptbühne besteht aus insgesamt 8 Podien, von denen 4 als Doppelstockpodien ausgeführt sind. Im Seitenbühnenbereich befindet sich das Antransportpodium als auch Ausgleichspodien, um den Drehscheibenwagen einzusenken. 3 Tischversenkungen können wahlweise in den Podien 1-6 eingebaut werden. Das Orchesterpodium besteht aus mehreren Komponenten (Hauptplattform, Ausgleichspodien, Stege, Passarelle), um den Orchestergraben vielseitig nutzen zu können. Die Fläche der gesamten Bühne beträgt 1.330 m², zusammengesetzt aus 500 m² Hauptbühne, je 250 m² pro Seitenbühne und 330 m² Hinterbühne.

Auch in der Untermaschinerie wurde ein Augenmerk auf die akustische Optimierung gelegt. Dafür wurden die Podien mit Seilantriebstechnik ausgeführt und dafür teils stehende, teils liegende Winden verwendet. Diese Winden sind ebenfalls elastisch gelagert und zusätzlich mit einer Schallschutzverkleidung eingehaust.

Gesteuert wird die gesamte Bühnentechnik – bestehend aus mehr als 350 Antriebsachse, mit der Waagner-Biro C⋅A⋅T Steuerung.

Das neu geschaffene unterirdische Bauwerk verkürzt Transportwege

Im Unterirdischen Bauwerk (unterirdische Transportwege sowie Betriebsräume) werden nicht nur Dekorationselemente in Lagerwagen witterungsunabhängig und schneller transportiert, sondern es dient auch der internen logistischen Erschließung der Gebäude der Staatsoper. So wurden notwendige technische Betriebsräume im Unterirdischen Bauwerk untergebracht. Sämtliche Versorgungsleitungen, wie zum Beispiel Elektro-, Heizungs-, Kälte- und Feuerlöschleitungen, verlaufen durch das unterirdische Bauwerk, das damit von besonderer Bedeutung für die technische Versorgung der Staatsoper ist. Darüber hinaus stehen Flächen für die Vormontage und Lagerung von Kulissen und Dekorationen zur Verfügung.

Dieser Teil des Bauwerks wurde im Rahmen der Generalsanierung neu geschaffen, um die Organisationsprozesse im Spielbetrieb zu verbessern. Der unterirdische Transportweg wird auch während der Aufführungen genutzt, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Dieser schließt in der Berliner Seitenbühne (Linke Seitenbühne) an die Hauptbühne an und beinhaltet unter anderem ein frei verfahrbares Bühnenwagensystem, bestehend aus zwölf 2×1 m Antriebseinheiten für Bühnenwägen und Dekorationen. Diese Kombination von Wegen und installierter Technik soll die An- und Abtransporte zur Bühne vereinfachen.

Mit dem Probenzentrum wurden Probemöglichkeiten für das Staatsballett, den Chor und das Orchester geschaffen. Ebenso entstand hier ein Probenraum mit den gleichen Dimensionen wie die Hauptbühne im Opernhaus. Hier hat das Ensemble der Staatsoper zum ersten Mal die Gelegenheit in den originalen Kulissen und der gleichen Bühnengröße wie im Opernhaus zu proben. Der Raum bietet ebenso die Möglichkeit für eine 2. Spielstätte. Ein Hubpodium für Transportzwecke wurde von Waagner-Biro Stage Systems eingebaut.

 

24/7 Support

Jede Minute, in der Ihre Bühne nicht funktioniert, ist eine verlorene Minute – verloren für Konstruktion, Proben oder sogar Aufführungen. Darum ist es uns so wichtig, immer und überall erreichbar zu sein.

Every minute your stage isn’t working is a minute lost – lost for rehearsing, programming, and for performing. That’s why it is important to us, that you can reach us all day, every day.

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